06.02.2020
Arbeiten und Wohnen

Arbeit und Wohnen auf kurzem Weg

Unterschleißheim steht vor enormen Herausforderungen. Durch die teilweise Wiederbesiedelung des Microsoftstandortes und der im Entstehen befindlichen Projekte „Businesscampus“ und „Koryfeum“ werden in Bilanz etwa 4.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Dieses beachtliche Wachstum wird den Druck auf den eh schon angespannten Wohnungsmarkt und auf die manchmal chaotischen Verkehrsverhältnisse weiter erhöhen. Die Grundstücks- und Mietpreise steigen unverhältnismäßig. Menschen mit geringeren Einkommen können sich das Leben in der Region kaum mehr leisten. Die Folge ist, dass immer längere Wege zu den Arbeitsplätzen in Unterschleißheim in Kauf genommen werden. Vor etwa 30 Jahren war der durchschnittliche Weg zur Arbeitsstelle etwa 5km lang, heute liegt der Durchschnitt bei etwa 50km. Wir brauchen uns also nicht zu wundern, wenn die Straßen im gesamten Ballungsraum überfüllt sind.

Unterschleißheim hat in den vergangenen Jahrzehnten ein unverhältnismäßig hohes Wachstum im gewerblichen Bereich erfahren, jedoch nicht gleichzeitig für ausgewogene Verhältnisse im Wohnungsbau gesorgt. Klar, jeder Bürgermeister freut sich über sprudelnde Gewerbesteuereinnahmen. Baut er jedoch die dazugehörigen Wohnungen, muss er sich auch um die wachsende Infrastruktur kümmern. Bildungs-, Betreuungs- und Verwaltungseinrichtungen müssen erweitert, Wohngebiete und die dazugehörigen Straßen entwickelt werden. Das ist unbequem. Die Folgen daraus, dass die zu den entstandenen Arbeitsstellen gehörende Wohnraumentwicklung jahrzehntelang auf die Nachbarkommunen bzw. aufs Land delegiert wurde, sind Fachkräftemangel, explodierende Wohnungskosten und katastrophale Verkehrsbedingungen.

Waren in den vorherigen Wahlperioden die Anstrengungen hierzu viel zu zurückhaltend, sind diese in der jetzt endenden ganz zum Erliegen gekommen. Erst im vergangenen Jahr gab es zaghafte Anfänge zur Entwicklung neuer Wohngebiete. Und jetzt drohen diese zarten Versuche, zumindest mit dem Tropfen auf den heißen Stein einen Anfang zu wagen, in den Mühlen des Wahlkampfes wieder zermahlen zu werden. Durchaus ernst zu nehmende Proteste betroffener Nachbarschaften führen bei fast allen Wahlkämpfern zu teilweisen Rücknahmen zuvor gemeinsam beschlossener Größenordnungen aus Angst vor Verlust von
Wählerstimmen. Einige meinen sogar, durch Fehlinformationen und Aufwiegelung benachbarter Ortsteile ihr Stadtratsmandat retten zu können. Zur Klarstellung: die derzeit in der Vorentwurfsphase befindlichen Wohnungsbauvorhaben am Businesscampus und in der Stadtmitte sind nicht geeignet, die Wohnraumprobleme des Großraumes München zu lösen, sondern sind ein kleiner, aber notwendiger Beitrag zur  Kompensation der jahrelangen Versäumnisse bei der Ortsentwicklung Unterschleißheims. Es ist im Gegenteil mehr als bedauerlich, dass diese Projekte, wie einige weitere, z.B. in Lohhof Süd, Essogrundstück,  Kiebitzstraße usw. nicht schon längst entwickelt und umgesetzt sind, sondern aufgrund mangelnder Entscheidungsfreude und dem hilflosen Absichern eines jeden Handgriffs durch aufwändige Gutachten und Voruntersuchungen ohne Not verzögert wurden.

In Bilanz ist festzustellen, dass in den vergangenen Jahren nur sehr wenige Wohnungen entwickelt und bislang nicht eine einzige realisiert wurden. Dieses Arbeitstempo ist nicht geeignet, den oben genannten Problemstellungen zu begegnen. Wer keine Wohnungen baut, kommt seiner sozialen Verpflichtung, auch bezahlbare Wohnungen zu schaffen, nicht nach. Der Bürgermeister einer Stadt mit 30.000 Einwohnern und bald 17.000 Arbeitsplätzen hat sich mit Pragmatismus, Entscheidungsfreude und Weitsicht dieser enormen Herausforderung zu stellen. Fachwissen und gesunder Menschenverstand sind hilfreicher, als all die teuren und zum Teil unsinnigen Gutachten, um effiziente und nachhaltige Lösungen zu erarbeiten.


Martin Reichart
Ihr Bürgermeisterkandidat
Freie Wähler, Freie Bürgerschaft